Nachruf auf den Tod von Prof. Richard A. Gardner

Die Arbeitsgemeinschaft PAS (Parental Alienation Syndrom) teilt mit tiefem Bedauern mit, dass der bekannte amerikanische Kinderpsychiater Richard A. Gardner am 25. Mai 2003 unerwartet in New Jersey (USA) verstorben ist.

Prof. Dr. Gardner wurde zunächst international bekannt durch sein in mehrere Sprachen übersetztes Buch: "The Boys and Girls Book about Divorce" (New York, Bantan Books, 1970). Seit den frühen 80er Jahren steht sein Name im Zusammenhang mit dem Problem der Eltern-Kind-Entfremdung nach Trennung und Scheidung. Mit dem Begriff "Parental Alienation Syndrome" (PAS oder "Elterliches Entfremdungssyndrom") beschrieb Gardner einen speziellen Subtyp von Entfremdung im Sinne einer kindlichen Folgestörung von schwer manipulativem (indoktrinierendem) elterlichem Fehlverhalten, durch das der abgelehnte Elternteil aus dem Leben des gemeinsamen Kindes ausgegrenzt werden soll.

Die Erzeugung von PAS beim Kind ist nach Gardner als psychischer/emotionaler Missbrauch anzusehen, der schwere psycho-traumatische Langzeitfolgen in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und des späteren Erwachsenen mit sich bringt. Gardner betonte dabei auch die wichtige Rolle der mit dem Scheidungsprozess betrauten Jugendamtsmitarbeiter, Richter, Anwälte, Ärzte, Kindergärtnerinnen, Lehrer etc.

Das Standardwerk zu PAS ist Gardners Buch "The Parental Alienation Syndrome, a Guide for Mental Health and Legal Professionals", das 1992 in erster und 1998 in zweiter Auflage erschien (Cresskill, N. J., Creative Therapeutics). Seither wurden weltweit über 140 Fachartikel herausgegeben. PAS fand in über 70 Familiengerichtsurteilen in vielen Ländern - auch in Deutschland - Eingang in die familienrechtliche Praxis. Das PAS-Konzept rief unter scheidungsbegleitenden Fachleuten weltweit große Beachtung, aber auch Kritik und geradezu feindselige Polemik hervor. Die Fachdiskussion ist in den Beiträgen der Website www.rgardner.com nachzulesen.

Noch im Oktober 2002 nahm Prof. Gardner an der internationalen Konferenz "Parental Alienation Syndrom - eine interdisziplinäre Herausforderung für scheidungsbegleitende Berufe" teil, die von der Arbeitsgemeinschaft PAS in Frankfurt veranstaltet wurde. Über 320 Fachleute aus 16 Ländern informierten sich dort über das Thema PAS (www.pas-konferenz.de).

Wer ihn kannte, war beeindruckt von seiner engagierten und dennoch humorvollen Art, mit der er das komplexe Thema und die Belange der emotional missbrauchten Scheidungskinder und der vom Kontakt ausgegrenzten Eltern aufgriff. Fachleute und Betroffene werden ihn als Wissenschaftler, Fürsprecher und Freund vermissen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die interdisziplinäre Fachdiskussion und Forschung zu PAS und seiner Folgen auch nach dem Tod von Prof. Gardner intensiv fortsetzt.

Dr. med. Wilfrid von Boch-Galhau
für die Arbeitsgemeinschaft PAS